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Fachartikel aus MECHATRONIK 9-10/2015, S. 36 bis 37

MECHATRONIK-Interview

Spielwiesen der Mechatronik

Robotik als etablierte Branche und autonomes Fahren als zukunftsträchtiges Feld der Mechatronik bespricht Prof. Torsten Bertram, Lehrstuhl für Regelungssystemtechnik an der TU Dortmund, mit MECHATRONIK.

Bild: TU Dortmund
Prof. Torsten Bertram, Lehrstuhl für Regelungssystemtechnik an der TU Dortmund (Bild: TU Dortmund)

MECHATRONIK: Wo verorten Sie aktuell Kerngebiete und Aufgaben der Mechatronik?
Bertram: Mechatronik ist in einem Kerngebiet, nämlich der Robotik, stark vertreten. Das heißt, seit 1969 – als der Begriff definiert wurde – ist Robotik eine tragende Säule. Das Zusammenspiel von entsprechenden Sensoren/Aktoren wird aktuell intensiv in Richtung Servicerobotik getrieben – vor allem unter dem Aspekt des demografischen Wandels. Menschen sollen mittels Robotik unterstützt und mobil gehalten werden. Die andere Richtung, die ich sehe, hat ebenfalls mit Mobilität zu tun: automatisiertes Autofahren – vom teil- bis hin zum hoch- und vollautomatisierten Fahren.

MECHATRONIK: OEMs und Zulieferer, aber gerade auch Firmen wie Google und Apple arbeiten daran. Ist autonomes Fahren für Sie absehbar?
Bertram: Als jemand, der täglich durch das Ruhrgebiet fährt, kann ich nur feststellen, dass wenn ich in der Zeit etwas anderes machen könnte als fahren, also mein Auto autonom führe, wäre ich absolut begeistert davon, weil ich einen Zeitgewinn hätte.

MECHATRONIK: Und wer macht das Geschäft – Automobilisten oder IT/IKT- Unternehmen?
Bertram: Firmen wie Google und Apple sind Wegbereiter, weil sie das Thema des autonomen Fahrens auf die Agenda gebracht haben. Sie werden nicht diejenigen sein, die das autonome Fahrzeug für die Masse herstellen.

MECHATRONIK: Wie schätzen Sie die Sicherheit und Zuverlässigkeit in Hinblick auf automatisiertes Fahren ein?
Bertram: Sicher wird autonomes Fahren nur funktionieren, wenn die mechatronischen Systeme entsprechend zuverlässig arbeiten. Damit alles zuverlässig funktioniert, braucht es noch etliche Jahre. Und ich meine, wer selber mal in der Automobilindustrie an aktiven Sicherheitssystemen mitentwickelt hat, der weiß, dass viel Kompetenz gefragt ist, wenn es um die Sicherheit der Systeme geht.

MECHATRONIK: Worin liegt das Know-how, auf das es bei Sicherheitsfeatures ankommt?
Bertram: Um Sicherheitsfeatures zuverlässig ins Auto zu bringen, sind große Erfahrungswerte vonnöten sowie entsprechende Entwicklungsumgebungen und Entwicklungsprozesse notwendig. Dieses Know-how können Firmen wie Google oder Apple vermutlich nicht sofort nachvollziehen. Und Szenarien wie bei einem Update kommerzieller Rechnersoftware, weil manche Automotive-Funktionen vielleicht doch noch kleine Fehler haben, sind für autonomes Fahren unvorstellbar und inakzeptabel. Der Entwicklungsprozess ist in der Automobilindustrie also ein ganz anderer als in der Kommunikations- und Unterhaltungsbranche.

MECHATRONIK: Ist eine Marktreife – nach heutigem Stand der Technik – absehbar?
Bertram: Es gibt verschiedene Zahlen, die zum automatisierten Fahren in den Raum gestellt werden. Ich habe diesbezüglich keine Untersuchung angestellt, ob diese Zahlen realistisch oder unrealistisch sind. Ich denke, wir werden nicht von heute auf morgen das automatisierte Fahren haben, sondern es wird ein Prozess sein, es wird Situationen und Strecken geben, die dafür freigegeben werden, und die sich ergebenden Vorteile werden den weiteren Weg bereiten.

MECHATRONIK: Wie wirkt sich autonomes Fahren – als relevantes Zukunftsfeld – auf die Mechatronik allgemein aus?
Bertram: Das Schöne für die Mechatronik ist, dass auch autonomes Fahren eine hervorragende Spielwiese darstellt. Das Zusammenspiel von Sensoren und dann sinnvolle Funktionen zur Ansteuerung der Aktoren zu entwickeln, ist kennzeichnend. Sich alleine auf den Sensor zu konzentrieren, der wiederum ein eigenständiges mechatronisches System ist, mit der Fusion – also Informationen anderer Sensoren zu fusionieren, um überhaupt die Umweltsituation, in der das Fahrzeug dann ist, zu beschreiben – wird spannend. Es wird auch spannend sein, digitale Karten zu verwenden, um das Bild weiter abzurunden.

MECHATRONIK: Mit M2M-Kommunikation als weitere wichtige Ausprägung?
Bertram: Das kann man durchaus als nächste Variante sehen. Das heißt, es geht nicht ohne die Werkzeuge der Mechatronik – mal mehr Informationstechnik, mal mehr die physikalischen Prinzipien für die Sensoren, aber in sich genommen immer wieder mechatronische Systeme, weil die Sensoren selber ihrem übergeordneten System mitteilen können müssen, ob sie noch sicher sind beziehungsweise die korrekte Information liefern. Nur wenn sie sicher sind, kann die Information genutzt werden. Wer soll sonst über die Informationen wachen, wenn nicht der Sensor selbst? Also von daher sehe ich großes Potenzial und auch die Diskussionen zeigen das.

MECHATRONIK: Das ist die Mechatronik.
Bertram: Ja. Das heißt im ersten Schritt funktionales Zusammenwirken und im zweiten Schritt bedeutet es, dass man das räumlich zusammenbringt, also gemeinsame Gehäusung, weil es entsprechendes Einsparpotenzial bietet. Ein weiterer Vorteil ist eine sichere Kommunikation, wenn der Sensor direkt mit der Signalverarbeitung unmittelbar integriert dargestellt ist. Die Anfälligkeit über Kommunikationsnetze unterbleibt und die verarbeitete Information kann wieder einer übergeordneten Funktion zur Verfügung gestellt werden.

Das Interview führte Nico Schröder, Chefredakteur MECHATRONIK.

www.rst.e-technik.tu-dortmund.de




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