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Fachartikel aus MECHATRONIK 12, S. 37 bis 39

Kuka

Der Feinfühlige

Der sensitive Kuka Roboter LBR iiwa automatisiert den Kalibriervorgang von unterschiedlich großen Messmitteln bei der Perschmann Calibration GmbH.

In der Messtechnik zählt einzig und allein höchste Präzision. An sich ideale Voraussetzungen für den Einsatz von Robotern. Für die effiziente Auslastung müssen sie allerdings verschieden große Gegenstände greifen können, ohne diese zu beschädigen. Bei dem Messtechnikspezialisten Perschmann Calibration GmbH übernimmt der sensitive Kuka Roboter LBR iiwa die Bestückung eines Koordinatenmessgerätes (KMG) und automatisiert damit den Kalibrierungsprozess. Zudem sind die Messmittel mit Codes ausgestattet, die der Anlage mitteilen, welche Messungen vorgenommen werden sollen.

„Ein menschliches Haar ist in etwa 50 µm dick, die Fäden einer Spinne ca. 5 µm. Die Genauigkeit, mit der wir bei Perschmann Calibration Messmittel kalibrieren, beträgt ca. 0,5 µm“, erklärt Dr. Detlef Rübesame, Geschäftsleiter Technik der Perschmann Calibration GmbH. Der Kalibrierdienstleister aus Braunschweig ist auf die Kalibrierung von Handmessmitteln spezialisiert, unter anderem werden Lehren wie Dorne und Einstellringe hochpräzise geprüft. Die Messmittel müssen in regelmäßigen Abständen kalibriert werden. Der Kundenstamm des Unternehmens besteht vor allem aus Kunden aus dem klassischen Maschinenbau, der Automobilbranche oder aus dem Flugzeugbau. Die Kunden setzen die Messmittel zur Qualitätssicherung ihrer Fertigungsprozesse ein.

Messmittel müssen nach ISO 9001-Norm regelmäßig kalibriert werden, um die internationalen Qualitätsstandards zu erfüllen. Im Kalibrierungsprozess werden so exakte Werte gemessen, dass sogar kleine Staubpartikel die Messung beeinflussen können. Neben Staubpartikeln hat auch die Temperatur einen Einfluss auf das Messergebnis. Daher wird nicht nur die Temperatur im Messraum konstant gehalten, auch die Messmittel selbst werden für eine definierte Zeit klimatisiert, sodass es zu keinen Messvarianzen kommen kann.

Mehrwert für den Kunden schaffen

Mittelständische Unternehmen wie die Perschmann Calibration GmbH sind fortwährend auf der Suche nach zukunftsweisenden Lösungen, um in ihrem Geschäftsfeld wettbewerbsfähig zu bleiben. „Das Unternehmen Hexagon, von dem auch das Koordinatenmessgerät stammt, hat uns in Zusammenarbeit mit Kuka ein Konzept vorgestellt, wie wir unseren Kalibrierungsprozess automatisieren und so noch kundenfreundlicher, also viele verschiedene Messmittel in kürzerer Zeit, kalibrieren können. Die Idee haben wir gleich aufgegriffen“, berichtet Detlef Rübesame.

Seit Dezember 2017 steht bei der Firma Perschmann Calibration die Kuka flexFellow Lösung, auf der der Kuka Roboter LBR iiwa verbaut ist. Er ist der erste in Serie gefertigte sensitive – und damit MRK-fähige – Roboter. LBR steht für „Leichtbauroboter“, iiwa für „intelligent industrial work assistant“. Mit dem LBR iiwa weichen Schutzzäune aus dem Arbeitsraum und machen den Weg frei für die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK).

Dieser ist in der Lage, feinfühlig verschiedene Messmittel aus einem Materialbereitstellwagen aufzugreifen und diese dem Hexagon KMG zum Kalibrieren zuzuführen. Der Roboter arbeitet dabei im Drei-Schicht-Betrieb.

Vollautomatisierter Kalibriervorgang dank Industrie-4.0-Elementen

„Die ultra-hoch genaue Leitz PMM-C ist ideal für anspruchsvolle Messaufgaben geeignet. Mit einer erhöhten Genauigkeit im unteren Sub-Mikrometer Bereich werden die verschiedenen Messmittel zuverlässig kalibriert“, sagt Felix Balzer, Manager R&D Sensors and Machines bei Hexagon.

Die Vorteile, die sich für Perschmann durch die roboterbasierte Applikation ergeben, sind vielfältig: Der Vorgang wird verkürzt und der Kalibrierungsprozess kann kundenorientierter ausgerichtet werden, denn Sammelbearbeitungen verschiedener Messmittel sind mit dem Kuka Leichtbauroboter kein Problem mehr. „Die Automatisierung ist sinnvoll, da wir mit sehr großer Stückzahl arbeiten. Außerdem ist die Anlage so abgestimmt, dass sie auch längere Zeit autonom arbeiten kann“, erklärt Detlef Rübesame. Eine wichtige Frage in der Planung zur Produktionsumstellung war, wie das KMG und der LBR iiwa die vielen unterschiedlichen Geometrien der Messmittel erkennen und zuordnen können. Diese Herausforderung löst das Messmittel selbst, indem es den Messvorgang steuert. Mit einem Data-Matrix-Code ausgestattet, leitet es alle wichtigen Informationen, wie Messmittelart oder Durchmesser, an das KMG weiter. Über diesen speziellen DataMatrix Code (DMC) kann das KMG die Messung selbstständig einleiten, der Eingriff eines Mitarbeiters ist nicht mehr notwendig.

Der zweite große Vorteil der Anlage ist, dass der Roboter erkennt, wenn ein Fach leer ist und daraufhin eigenständig das nächste volle ansteuert. Ein echter Mehrwert, denn somit kann der Roboter die Nachtschicht autonom durcharbeiten. Die Mitarbeiter finden am nächsten Morgen ein fertig kalibriertes Abladesystem vor.

Handling durch sensitiven Roboter

„Die einzigartige Moving-Table-Technologie zeichnet die Leitz PMM-C aus. Dabei ist das KMG-Portal feststehend und der Messtisch wird verfahren. So werden eine hohe Steifigkeit und Langzeitstabilität – die Basis für ultra-hoch genaue Messungen – sichergestellt“, sagt Felix Balzer.

Neben dem KMG PMM-C von Hexagon ist die Anlage mit einer Kuka flexFellow Lösung ausgestattet. Beim Kuka flexFellow handelt es sich um eine Komplettlösung, bestehend aus einer Roboterplattform, auf der LBR iiwa aufgebaut ist. Dazu stehen zwei Transporteinheiten mit Staplertaschen bereit. Im ersten Arbeitsschritt bewegt sich der LBR iiwa zur ersten Transporteinheit und prüft, ob sich in den einzelnen Rutschen Messmittel befinden. Anschließend entnimmt er diese und führt sie in der richtigen Position dem Lesegerät zu. Neben dem Scannen wird das Messmittel auch mit Luft abgeblasen, um eventuellen Staub zu beseitigen und die Messung nicht zu verfälschen. Nachdem das System erkannt hat, um welches Messmittel es sich handelt, spannt es der LBR iiwa in die Aufspannvorrichtung. Anschließend beginnt das KMG den Kalibriervorgang. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, platziert der Roboter es in der zweiten Transporteinheit. Währenddessen werden die Informationen über den Kalibriervorgang an einen Computer übermittelt, wo das Zertifikat für jedes Bauteil erstellt wird.

Autonom in der Nachtschicht

Mit dem Kuka LBR iiwa hat Perschmann Calibration nun die Möglichkeit, rund um die Uhr zu kalibrieren – und das sogar in zwei unterschiedlichen Modi. Während tagsüber die Produktion im sicheren, langsameren MRK-Modus läuft, kann über Nacht, wenn sich keine Menschen im Arbeitsbereich des Roboters aufhalten, in den vollautomatischen Modus umgestellt werden. Der Kuka LBR iiwa arbeitet dann mit der zehnfachen Geschwindigkeit. Das ist möglich, weil im mannlosen Betrieb andere Sicherheitsbestimmungen gelten. Durch die zusätzliche, vollautomatische Kalibrierung in der Nachtschicht gewinnt die Perschmann Calibration GmbH zusätzlich Prüfkapazitäten.

Detlef Rübesame ist sehr zufrieden mit dem neuen Prozess und geht davon aus, dass sich die Investitionen in die Anlage bald amortisiert haben werden. „Die Aufgabe der Geschäftsleitung ist es, darauf zu achten, dass wir in einer aktiven Rolle bleiben und nicht von anderen gezwungen werden, zu reagieren. Dazu haben wir mit der Vollautomatisierung des Kalibrierungsprozesses einen weiteren Schritt getan!“